Gewalt an Frauen und Kindern

Amnesty International hat im Mai 2019 die Ergebnisse einer breit angelegten Umfrage veröffentlicht. Dabei wurden 4500 Frauen in der Schweiz zu sexualisierter Gewalt befragt. Das Resultat zeigt, dass 59% aller Befragten mindestens einmal Belästigung erlebt haben, 22 % erlebten ungewollte sexuelle Handlungen und 12% Geschlechtsverkehr gegen den eigenen Willen. Häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder, sowie Gewalt gegen Frauen ist eines der grössten Probleme weltweit.

Häusliche Gewalt verletzt fundamentale Menschenrechte und das Schweizer Recht (Eidgenössisches Büro für Gleichstellung 2017).
Auch in der Stadt St. Gallen kommt es durchschnittlich zu etwa 200 polizeilichen Einsätzen pro Jahr im Bereich häusliche Gewalt. 2019 gab es in der Schweiz 29 Todesopfer im Bereich häusliche Gewalt, davon 9 Kinder und 19 Frauen. Der Kanton St. Gallen verzeichnete 3 Todesopfer.

Die offiziellen Zahlen erschrecken, gleichzeitig gelangen nur etwa 21 bis 25 % aller Straftaten im Bereich häusliche Gewalt bis zur Polizei. Der grosse Teil der Straftaten (Tätlichkeiten, Körperverletzungen, Drohungen, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, usw.) geschehen im Verborgenen. Dahinter stehen Schicksale von unzähligen Frauen und Kindern, die teilweise schwer traumatisiert, versuchen müssen, mit dem Erlebten klar zu kommen.

Eine Trennung oder Scheidung bedeutet für viele Frauen mit Kindern noch immer den Gang zur Sozialhilfe, da bei der gerichtlichen Trennung der Lohn des «Hauptverdieners» nicht unter sein Existenzminimum berechnet wird.

Fast 40 Jahre nach der verfassungsmässig verankerten Gleichstellung sind die Geschlechter-stereotypen noch kaum aufgeweicht, bzw. umgesetzt. Noch immer durchzieht die «traditionelle» Aufgabenverteilung das tägliche Leben. Die Chancengleichheit für Frauen in eine partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit bedarf einer Veränderung auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Das Züchtigungsrecht für Ehefrauen wurde in der Schweiz zwar 1978 abgeschafft, in vielen «Köpfen» existiert es nach wie vor. Um häusliche und sexuelle Gewalt zu verhindern, braucht es eine klare Verurteilung derselben und verschiedenen Massnahmen zur Reduktion.

Die Istanbul-Konvention

Seit dem 01.04.2018 ist die Istanbul-Konvention in der Schweiz in Kraft. Dieses internationale Abkommen soll Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt bekämpfen – unabhängig von der Herkunft oder dem Aufenthaltsstatus der Opfer.

Die Istanbul-Konvention hat das Ziel geschlechtsspezifische und familiäre Gewalt an ihren Wurzeln zu bekämpfen und die Rechte der Gewaltbetroffenen auf Unterstützung und Schutz durchzusetzen. Sie definiert geschlechtsspezifische Gewalt als Menschenrechtsverletzung und eine Form von Diskriminierung gegenüber Frauen.

Zuständig für die Umsetzung der Konvention sind Bund, Kantone und Gemeinden. Dies in Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Fachstellen und Organisationen, die den Grossteil der Unterstützungs- und Schutzangebote im Bereich Gewalt gewährleisten. Damit die Istanbul-Konvention umfassend und für alle Gewaltbetroffenen ohne Diskriminierungen umgesetzt werden kann, braucht es die entsprechenden finanziellen Mittel und eine Verbesserung der rechtlichen Situation der Betroffenen. Die bestehenden Angebote zur Begleitung, Beratung und zum Schutz Gewaltbetroffener wie auch im Bereich Gleichstellung gilt es zu sichern. Wo nötig sind diese Unterstützungsleistungen auszubauen, zu spezialisieren und-/oder neu zu schaffen. Zentral ist es, den Zugang zu Prävention, Unterstützung und Schutz für alle zu gewährleisten und bestehende Hürden aufgrund von bspw. Recht, Sprache oder Wissen abzubauen. Nicht zuletzt sind geschlechtsspezifische und häusliche Gewalt an ihren Wurzeln wie den Geschlechterstereotypen anzugehen: www.istanbulkonvention.ch